Hintergründe, Personen und Ausblick
Am Samstag, den 4. Mai 2024, traten die beiden Rapper Kavalier (Dominik Raupbach, Bautzen) und Proto (Kai Alexander Naggert, Wesel), beide Teil des Labels „Neuer Deutscher Standard“ (NDS), mit ihrer „Abschiebehauptmeister Party“ im Krefelder BoSi Club auf. Wie konnte es dazu kommen?
Viele Jahrzehnte galt der BoSi Club in der Krefelder Kulturszene als offener, antirassistischer Raum. Während der Coronazeit blieb der Club leer, öffnete unter neuer Führung wieder am 15. Juli 2023. David K. aus Wegberg bei Mönchengladbach hatte sich auf eine offene Ausschreibung als neuer Pächter beworben und bespielte den BoSi Club seither mit Techno-Events und privaten Partys.
Im Jahr 2022 gründete David K. gemeinsam mit Eike M. den auf Musikproduktion, Veranstaltungsplanung und Artistmanagement spezialisierten „RailGun Movement e.V.“ (RGM). RGM veranstaltete Events im Mikroport (Krefeld), Projekt-X Club (Bochum), Frau Manfred (Mönchenglabdach), Light Club und Spirit 2.0 (beide Dortmund), Förderturm Boenen und schließlich im BoSi Club. Selbst ist David K. als DJ Disscord tätig und als solcher ebenfalls im Krefelder Mikroport und dem BoSi Club aufgetreten. Der Betreiber des Mikroport gibt jedoch an, die Zusammenarbeit mit K. bereits vor dem Nazikonzert im BoSi Club beendet zu haben und sich von dessen extrem rechten Inhalten zu distanzieren.
Der Pachtvertrag mit dem BoSi Club wurde nicht einmal ein Jahr nach Wiedereröffnung zum 30. April 2024 beendet, unter anderem weil David K. Unmut von Nachbar:innen und anderen Mieter:innen der Seidengalerie-Passage auf sich zog. Das Neonazikonzert am 4. Mai 2024 markierte demnach das ohnehin feststehende Ende von K.s Zeit im BoSi Club.
Gegenüber einer privaten Nachfrage hatte K. am Vortag des Konzertes noch bestritten, dass der BoSi Club dieses beherberge. Am Konzertabend selbst, als die Location von den beiden Rappern intern bereits bekannt gegeben worden war, wies K. die Forderung nach einer Absage des Konzertes zurück, und berief sich auf freie Meinungsäußerung.
Dass David K.s Motivation weniger in der freien Meinungsäußerung als vielmehr in der ideologischen Übereinstimmung mit dem Neonazilabel NDS zu finden war, zeigt ein Blick auf seine Social Media Profile. Mehrfach teilte David K. Posts verschiedener NDS-Musiker:innen, mehrfach präsentierte er sich außerdem im NDS-Pullover, einmal sogar auf einer Veranstaltungsankündigung für die Partyreihe „Manfred mags hart“ im Mönchengladbacher Club Frau Manfred. [1] Bei seinem Auftritt fallen wiederum sein Shirt und seine Jacke vom extrem rechten Szenelabel „Isegrim“ des in der NS-Szene bestens bekannten Neonazi Markus Baumgart auf. [2] Auf Instagram teilte David K. darüber hinaus einen Liedtext der Rechtsrockband Sleipnir.
David K. scheint jedoch nicht nur empfänglich für extrem rechte Inhalte und bloßer Fan des Labels NDS zu sein, er ist sogar selbst aktiv involviert. Am 14. Mai 2022 hätte in Naumburg (Saale) ein Konzert der NDS-Rapper Proto, Primus und Menx stattfinden sollen. Dieses wurde kurzfristig jedoch abgesagt, weil einem der mittlerweile aus dem Label ausgetretenen Rappern die Location „Lokal 18“ (18 steht für Adolf Hitler) zu extremistisch vorkam. David K. hatte vorher nicht nur Werbung für die Veranstaltung gemacht [3], sondern sollte – das legt ein Beitrag von ihm nahe [4] – als DJ Disscord das Abendprogramm musikalisch abschließen. Drei Tage nach dem spontan abgesagten Konzert, das Alternativprogramm fand unter einer Brücke statt, schrieb David K.: „Was war das bitte für ein Wochenende?! Danke an die die mit in den Osten gefahren sind und Danke an meine Brüder von NDS. Es war mir wie immer eine Ehre.“ Schon am 25. Juni 2021 hatte K. ein NDS-Video geteilt und dazu geschrieben „Wir werden größer und stärker ***NDS***“.
Dass das NDS-Konzert im Krefelder BoSi Club stattfinden konnte, dürfte daher auf die aktive Planung des ehemaligen Pächters David K. zurückzuführen sein. Mit dem gekündigten Pachtvertrag scheint die Wiederholungsgefahr in Krefeld gering, dafür ist in Mönchengladbach, Bochum, Dortmund und Boenen Vorsicht und gegebenenfalls ein proaktives Handeln erforderlich. Ob David K. den BoSi Club im vergangenen Jahr für ähnliche Veranstaltungen nutzen konnte, ist nicht bekannt.
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Zum Konzert kamen etwa 30 Besucher:innen aus Osnabrück, Mönchengladbach, Recklinghausen, Duisburg, Olpe und Aachen. Der Veranstaltungsraum war mit einer Deutschlandflagge und einer Fahne der Identitären Bewegung geschmückt. Der BoSi Club wurde den gesamten Abend über rigoros von der Polizei abgeschirmt, sodass der Gegenprotest von etwa 50 Personen zwar lautstark widersprechen, das Konzert aber nicht aktiv stören konnte. Am späten Abend verteilte die Polizei acht Platzverweise an Antifaschist:innen. Um 23:15 Uhr verließ ein Großteil der Konzertbesucher:innen den BoSi Club und Krefeld.